Similia similibus curantur

(Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt)

Klassische Homöopathie

Geschichte der Homöopathie

Impressionen (Malcesine, Lago di Garda)

  • Der deutsche Arzt und Apotheker Samuel Hahnemann (1755-1843), der die medizinische Praxis seiner Zeit mit ihren Aderlässen und anderen heute umstrittenen Methoden kritisierte, forschte viele Jahre lang intensiv nach einer neuen Heilmethode, die er schließlich Homöopathie (nach griech. homoin pathos = ähnliches Leiden) nannte.
  • Das Jahr 1796, in dem er seine Methode veröffentlichte, wird im Allgemeinen als das Geburtsjahr der Homöopathie angesehen.
  • Hahnemann erreichte mit seiner Heilmethode zu seiner Zeit sensationelle Erfolge. Im Jahre 1813 behandelte er während der Typhusepidemie in Zentraleuropa 183 Typhuspatienten, von denen nur einer starb. Das entspricht einer Sterblichkeitsrate von 0,5 Prozent. Im Gegensatz dazu lag sie bei den konventionell Behandelten bei über 50 Prozent.
  • Hahnemann begann seine Forschungen mit konzentrierten Substanzen, versuchte aber später, durch Verdünnen die Toxizität seiner Heilmittel zu mindern, um auch höchst giftige Substanzen ohne die Gefahr von Vergiftungserscheinungen oder Nebenwirkungen verwenden zu können. Er benannte dieses spezielle Methode der stufenweisen Verdünnung und Verschüttelung mit einem Alkohol-Wasser-Gemisch oder der Verreibung mit Milchzucker als Potenzierung.

Impressionen (Malcesine, Lago di Garda)

  • Dabei erkannte er, dass die Arzneimittel ihre Wirkung durch den Verdünnungsprozess nicht verlieren, sondern sogar eine Wirkungssteigerung erfahren. Es stellte sich heraus, dass das Mittel desto sanfter, sicherer und schneller wirkte, je höher die Potenz war.
    • Ein Teil der Ursubstanz eines Stoffes wurde mit 99 Teilen (C-Potenz = Verdünnung 1:100 <–> D-Potenz = 1:10) Milchzucker 1 Stunde lang im Mörser verrieben und ab der C 4 in verdünntem Alkohol weiter verschüttelt. Das Verschütteln wurde bei der C 30 30 Mal vollzogen.
    • Dabei wurde die Information des Ausgangsstoffes auf den Trägerstoff (Milchzucker / Alkohollösung) übertragen. Auf diese Weise war kein Teilchen Materie des Ausgangsstoffes mehr enthalten, sondern ausschließlich die Information, d.h. die, wie Hahnemann sie nannte, "geistartige" Kraft des Heilmittels.
    • Er war der Ansicht, dass Krankheiten „geistartiger“ Natur seien (verursacht durch "Verstimmungen der Lebenskraft" wie z.B. Kummer, Kränkung, Aufregung, Stress oder Ärger) und deshalb mit "geistartigen" (= potenzierten) Arzneimitteln geheilt werden könnten.
  • Heute verwendet man drei verschiedene Potenzarten: D-Potenzen (Dezimalpotenzen in einer Verdünnung 1:10 mit 10-maliger Verschüttelung bei jedem Schritt), C-Potenzen (Centisimalpotenzen in einer Verdünnung 1:100 mit 10-maliger Verschüttelung) und LM-Potenzen bzw. Q-Potenzen (Quinquagintamillesimalpotenzen in einer Verdünnung 1:50.000 mit 100-maliger Verschüttelung).
  • Die Wahl der richtigen Potenz orientiert sich u.a. an der Sensibilität des Patienten, ist im Vergleich zur richtigen Arzneimittelwahl jedoch zweitrangig. Im Allgemeinen werden bei organischen Erkrankungen (z.B. Verletzungen, akuten Entzündungen) eher tiefe Potenzen eingesetzt und bei psychischen Symptomen eher höhere Potenzen. Hahnemann selbst erzielte mit der C 30-Potenz die besten Erfolge.

Wirkungsweise und Grundsätze der Homöopathie

  • Die Grundlage der Homöopathie ist die Behandlung von Krankheiten nach dem Ähnlichkeitsprinzip.
    • Hahnemann entdeckte es 1790 durch einen Selbstversuch mit Chinarinde, einem damals üblichen Mittel bei Malaria, den er in seinem Basiswerk "Organon der Heilkunst" beschreibt.
    • Er stellte nämlich fest, dass er als Gesunder nach regelmäßigem Trinken einer Chinarinden-Abkochung Krankheitssymptome entwickelte, die auch bei Malariakranken auftraten. Daraus zog er den Schluss, dass Chinarinde nicht nur bestimmte Krankheitssymptome der Malaria bessert, sondern bei zu starker Dosierung am Gesunden die gleichen Symptome hervorruft.
    • Dadurch entdeckte Hahnemann das Wirkprinzip der Homöopathie "similia similibus curantur = Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt". Dieses Ähnlichkeitsprinzip (auch Simile-Prinzip genannt) besagt, dass eine Substanz, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Krankheitssymptome hervorruft, einen kranken Menschen, der gleiche oder ähnliche Krankheitssymptome aufweist, heilen kann.
  • Ein weiterer Grundsatz der Homöopathie ist die Arzneimittelprüfung.
    • Nach dem Chinarinden-Versuch unternahmen Hahnemann und seine Nachfolger mit den verschiedensten pflanzlichen, tierischen und mineralischen Substanzen weitere Versuche, sogenannte Arzneimittelprüfungen, an sich und gesunden Testpersonen.
    • Alle Symptome, die eine Substanz hervorrief, wurden detailliert aufgezeichnet und ergaben zusammengefasst das sogenannte Arzneimittelbild (= die Zusammenstellung aller Symptome, die bei der Gabe des Mittels auftreten können). Dieses repräsentiert das gesamte Erkenntnismaterial über das Wirkungsprofil eines homöopathischen Arzneimittels und bildet die Grundlage des Wissens über die homöopathische Anwendung eines Arzneistoffes.
    • Traten bei einem Kranken dann ähnliche oder gleiche Symptome auf wie die im Arzneimittelbild enthaltenen, wurde ihm das entsprechende Mittel gegeben.
    • Ein gutes Beispiel für eine Arzneimittelprüfung ist der Arnica-Versuch. Nimmt ein gesunder Mensch mehrmals Arnica als C 30 ein, zeigt sein Körper möglicherweise Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Hitze und Röte des Gesichts; der Rücken und die Glieder fühlen sich wie zerschlagen, wund oder lahm an oder es tritt ein Gefühl von innerer und äußerer Erschütterung (ähnlich wie bei einem Schock) auf. Dies alles sind mögliche Symptome, die Arnica beim gesunden Menschen hervorbringen und beim Kranken heilen kann.
    • Durch systematisches Prüfen und Sammeln der Krankheitszeichen mittels Arzneimittelprüfungen erstellten Hahnemann und viele nachfolgende Homöopathen Arzneimittellehren, die noch heute Grundlage für die homöopathische Arbeit sind.
  • Der dritte Grundsatz beschäftigt sich mit dem individuellen Krankheitsbild und beinhaltet eine detaillierte Anamnese des Patienten unter Berücksichtigung aller körperlichen und seelischen Symptome.
    • Für die Anamnese stehen weniger die für die Krankheit typischen Symptome (bei der Diagnose von z.B. Husten, Schnupfen, Blasenentzündung), sondern vor allem die individuellen, ungewöhnlichen und auffallenden Symptome des Patienten im Vordergrund. Man berücksichtigt, auf welche Art und Weise der einzelne Kranke auf eine Erkrankung reagiert. Auch Erkrankungen in der Vergangenheit sowie bestimmte Vorlieben und Abneigungen werden für die individuelle Mittelwahl mit herangezogen.
      • So lässt sich erklären, dass es beispielsweise für Schnupfen unterschiedliche homöopathische Mittel gibt (nicht jeder Schnupfen hat dieselben Symptome), dass aber auch das gleiche Mittel für verschiedene Krankheiten verwendet werden kann.
      • Die Homöopathie behandelt also nicht nur die Krankheit, sondern den einzelnen Menschen individuell nach seiner eigenen Symptomatik.
    • Anhand der erhobenen Symptome erfolgt die Auswahl des Arzneimittels in potenzierter Form und nach dem Ähnlichkeitsprinzip, d.h. das der Krankheit ähnlichste Arzneimittelbild, das die meisten Übereinstimmungen mit dem Symptomenbild des Patienten aufweist (das "Simile"), wird herausgesucht.
    • Dabei verstärkt die Potenzierung eines homöopathischen Mittels die Heilwirkung (Kraftentfaltung) der Substanz und vermeidet ungewollte Nebenwirkungen.

Wirkung und Verwendungsweisen homöopathischer Mittel

  • Homöopathische Mittel wirken dynamisch (voll innerer Kraft) und versetzen den Körper in die Lage, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren und somit selbst die Heilung einzuleiten. Diese Stimulierung der Selbstheilungskraft stärkt den Körper.
    • Im Gegensatz dazu zielen viele herkömmliche Medikamente – zum Beispiel Antibiotika – nur darauf ab, Erreger abzutöten. Wer sie einnimmt, schwächt damit oftmals sein Immunsystem. Deshalb sollten sie bei schweren, gefährlichen oder hochinfektiösen Erkrankungen und nicht bei unkomplizierten Infekten angewendet werden.
  • Homöopathische Mittel lassen sich auf zwei grundsätzlich verschiedene Arten anwenden.
    • Zum einen kann man sie als Notfall- oder Akutmittel für akute Erkrankungen wie Infekte, Unfallverletzungen, etc. anwenden, die im Prinzip für jeden Menschen gleichermaßen einsetzbar sind, wenn die Symptome des entsprechenden Arzneimittels bei ihm vorliegen. Beispiele hierfür sind allgemein bekannte Mittel wie Belladonna, Aconitum oder Bryonia für Erkältungskrankheiten und grippale Infekte, Arnica als erstes Mittel bei Verletzungen, Mittel wie Okoubaka, Nux vomica, Ipecacuanha oder Arsenicum album bei Magen-Darm-Erkrankungen und Pulsatilla, Sarsaparilla oder Cantharsis bei Blasenentzündungen.
    • Homöopathische Arzneimittel lassen sich jedoch auch als Konstitutionsmittel verwenden, wobei der Homöopath dazu eine noch ausführlichere, meist zweistündige Anamnese durchführen muss, um anhand der spezifischen physischen und psychischen Merkmale des Patienten die Auswahl des individuellen Mittels treffen zu können. Hierbei wird der Menschentyp in Verbindung mit seinen Erkrankungen bestimmt. Diese Art der Mittelwahl eignet sich besonders für chronische und psychische Erkrankungen, bei denen das richtige Konstitutionsmittel in der Lage ist, eine positive Wende in der Entwicklung der Krankheit einzuleiten oder im psychischen Bereich sogar Ängste und Depressionen signifikant zu lindern.

Literaturhinweise

  • Bailey, Philip M.: Psychologische Homöopathie. Persönlichkeitsprofile von großen homöopathischen Mitteln. München: Droemer / Knaur, 2000.
  • Charette, Gilbert: Homöopathische Arzneimittellehre für die Praxis. Stuttgart: Hippokrates Verlag, 1997.
  • Coulter, C. R.: Portraits homöopathischer Arzneimittel I-III. Stuttgart: Haug Verlag, 2002-2008.
  • Coulter, C. R.: Skizzen homöopathischer Arzneimittel. Individualität und Archetypus. Heidelberg: Haug Verlag, 2003.
  • Hahnemann, Samuel: Das Organon der Heilkunst. Hg. v. Josef M. Schmidt. Stuttgart: Haug Verlag, 1998.
  • Keller, Georg von / Künzli, Jost (Hrsg.): Kents Repertorium der homöopathischen Arzneimittel. Heidelberg: Haug Verlag, 2011.
  • Köhler, Gerhard: Lehrbuch der Homöopathie. Stuttgart: Hippokrates Verlag, 2011.
  • Kent, James Tyler: Homöopathische Arzneimittelbilder. Vorlesungen zur homöopathischen Materia Medica. Stuttgart: Haug Verlag, 2009.
  • Kent, James Tyler: Zur Theorie der Homöopathie. Vorlesungen über Hahnemanns Organon. Bearbeitet von P. Schmidt. Stuttgart: Haug Verlag 1995.
  • Vithoulkas, Georgos: Essenzen homöopathischer Arzneimittel. Kissing: Faust Verlag, 2007.